Daniel Rickenbacher
Ein selbstbestimmtes Leben zu führen, war mein Traum.
Bis heute bewegt die Komposition „Una Mattina“ viel in mir - ich realisiere, wie weit ich bereits gekommen bin, um meinem selbstbestimmten Leben, wie es im Film „Ziemlich beste Freunde“ gelebt wird, Raum und Form zu geben.
2020 bezog ich meine erste eigene Wohnung. Ich hatte mein Assistenz-Team zusammen: 15 Personen, die mich in meinem Alltag unterstützen. Auch ohne Assistenz kann ich viele alltägliche Dinge selbständig meistern: alleine aufstehen, alleine Kleider anziehen, alleine Kaffee trinken… :-)
Dazu habe ich, bis zu meinem Einzug und bis zum heutigen Tag, mehrere hundert Stunden mit Ergotherapie, Physiotherapie und mentalem Training aufgewendet.
Ein Puzzle aus jahrelangen Therapien und Willensstärke setze sich zusammen zu einem Ganzen.
Ich bin Arbeitgeber und erstelle Arbeitsverträge, Arbeitspläne und Lohnabrechnungen für mein Assistenzteam. Am Wochenende unternehme ich Ausflüge an Orte, die ich schon lange selbständig besuchen wollte. In den Ferien kann ich ans Meer, wenn ich es will. Das Leben mit persönlicher Assistenz ermöglicht es mir jeden Tag. Das Gefühl von früher, eingeschränkt zu sein, konnte ich mittlerweile loslassen.
Wer entscheidet, ob eine Tätigkeit unter die Kategorie Arbeit, oder Beschäftigung geht? Erfüllen die Tätigkeiten die Menschen, die sie ausführen und werden sie gut behandelt? Warum gibt es überhaupt einen ersten und einen zweiten Arbeitsmarkt? Ist die Arbeit, die im zweiten Arbeitsmarkt erledigt wird, weniger Wert? Ab wann arbeitet man im ersten Arbeitsmarkt?
Nach meinen Erfahrungen tut diese Unterteilung nicht gut.
2015 gründete ich die Rickenbacher PC Communication und begann Vorträge zu halten. Habe ich da schon im ersten Arbeitsmarkt gearbeitet, obwohl ich zusätzlich noch in der Institution arbeiten musste, damit ich dort wohnen durfte?
Ja, ich habe Spastik. Dank Therapien, mentalem Training und CBD jedoch nur noch ein Bruchteil von früher. Die enorme Spastikreduktion, auf natürlicher Basis, eröffnete mir damals undenkbare Wege. Spastik kann sehr viele Einflussfaktoren haben, wie zum Beispiel Stress, psychisches und körperliches Wohlbefinden, CBD usw.
Kommunikation ist die Grundlage der Selbstbestimmung und der Partizipation. Dank der Unterstützten Kommunikation kann ich mit allen Menschen sprechen. Ich kann alleine einkaufen, in den Ausgang und im öffentlichen Raum unterwegs sein. In der Primarschule im Illgau kommunizierte ich mit einer Buchstabentafel und mit dem Handy. Danach bekam ich ein Kommunikationsgerät, mit dem Kodierungssystem Minspeak. Dieses Gerät ermöglichte mir grosse Selbständigkeit. Nach vielen Jahren erfolgreicher Kommunikation, dank einem Kommunikationsgerät, nahm meine Kommunikationsentwicklung eine für mich unerwartete Wendung. Erfolgreich und schneller wie nie zuvor kommuniziere ich nun mit Hilfe einer UK-App, die ich kostenpflichtig über den App Store auf mein Smartphone laden kann.
Gerne erzähle ich Ihnen mehr darüber.
Zum Zeitpunkt, als ich mich entschieden hatte, ein Leben mit Assistenz aufzubauen, begann ich mein Leben selbst zu bestimmen. Das Leben in der Institution war so durchstrukturiert und fremdbestimmt, dass ich gar nicht wusste, was Selbstbestimmung überhaupt bedeutet. Deshalb musste ich dies zu Beginn zuerst lernen. Ich konnte von einem Tag auf den anderen über jegliche Bereiche meines Lebens selber bestimmen. Mit dieser neuen Lebenssituation war ich am Anfang komplett überfordert.
Seit ich drei Monate jung war, gehören Therapien zu meinem Alltag. Mit dem Körper arbeiten und ihn Schritt für Schritt in die Selbstständigkeit zu bringen, ist meine tägliche Arbeit. Mit sehr viel Engagement, mentalem Training und Willensstärke habe ich es geschafft ca. 18 von 24 Stunden selbständig zu meistern. Dies ist mein Lohn für meine jahrelange harte Arbeit. Doch ich bin noch nicht fertig!
Seit meine Eltern mich nicht mehr tragen konnten, laufe ich auf Rädern. Leider ist viel noch immer nicht barrierefrei. Immer wieder stosse ich auf Grenzen und Diskriminierung. Lasst uns darüber sprechen, Erfahrung austauschen und uns gegenseitig helfen, damit wir die Barrierefreiheit erreichen.
Es muss und soll mich niemand berühren, wenn ich das nicht möchte. In meinem Leben wurde ich schon oft von Menschen berührt und dazu erst noch von Menschen, die ich nicht kannte. Wenn ich in der Öffentlichkeit unterwegs bin, gehören Grenzverletzungen fast schon zu meinem Alltag. Der Erfahrungsschatz ist gross.